Grabdenkmal für Olga Malcomess, Alter Berliner Garnisonfriedhof, Rosenthaler Straße, Berlin-Mitte, 2009 |
Auf der Grossen Berliner Kunst-Ausstellung 1906 stellte Adolf Jahn eine "Grabfigur" aus. Es könnte sich hierbei um das Grabdenkmal für Olga Malcomess handeln oder um die bisher unbekannte Grabfigur.
Ad. Jahn 1904 |
"Fiedhofsliste (Gebhardt) Nr. 1927, Malcomess, Olga, geb. von Zieten, Frau des Konsuls, Beisetz.-dat. 12.02.1904" |
"Reformsteine und die Moderne
Das
Grabmal für Olga Malcomess, geb. von Zieten (1852-1904), stellt
stilistisch ein wichtiges Verbindungsstück zwischen der Kunst des
Historismus und der Reformkunst nach 1900 dar. Es ist
eingebettet in eine großzügige gotisierende Gittergrabstelle, die auch
die Gräber von Olgas Vater, Leutnant Hasso von Zieten (1820-1855)
und des Ehepaares Major a.D. Friedrich Richard Stiehle
(1824-1901) und Helene Stiehle (1821-1877), birgt. Im Zentrum der
Anlage
steht auf einem Sockel aus bräunlichem Granit die Figur einer in sich
gekehrten Trauernden, gearbeitet aus - nach der vor geraumer Zeit
unternommenen Restaurierung - strahlend weißem Marmor. 1908 schuf der
Bildhauer Adolf Jahn (1858-1925), Schüler von Albert Wolff und Fritz
Schaper, diese Skulptur. Jugendstilig fließende Linien in Kontur ud
Gewand und ein sehr feines, idealisiertes Gesicht rücken die Figur
stilistisch in die Nähe der Reformkunst. Vergleichbar in der
stilistischen Entwicklung ist die hervorragend gebildete Trauernde am
Grabmal für Frieda Hankh auf dem Neuen Dorotheenstädtischen Kirchhof in
Berlin-Wedding, um 1907 geschaffen von dem Bildhauer Gerhard Janensch
(1860-1933). Beide Bildhauer verschleierten mit der stilistischen
Modifizierung ihrer Trauernden die Übernahme eines Figurentyps aus der
Kunst des Neubarock. Seit etwa den 1870er Jahren gehörten die
weiblichen Klage- und Trauerfiguren zu einem der gefragtesten Sujets
der Grabmalskunst. Sie lösten endgültig den trauernden Todesgenius,
mit dem der Klassizismus den ephebenhaft schönen Todesgenius
Thanatos als Verdränger des barocken Totengerippes gefeiert hatten, ab,
und reagierte damit auf den Bewußtseinswandel in der gründerzeitlichen
Gesellschaft, die die 'sentimentale' Trauerarbeit als Aufgabe der
Frauen
sah. Die 'schöne trauernde Witwe' oder die 'jungfräulich verstorbene
Schöne' wurden zum literarischen Motiv ( 'Der Tod und das Mädchen' ).
Erst
am Ende des Kaiserreichs, als sich angesichts der Katastrophe des I.
Weltkriegs ein neues, entmythologisiertes Verständnis der nun häufig in
jungen Jahren zur Kriegswitwe gewordenen Frau entwickelte, ließ die
Darstellung der Trauernden nach. Inhaltlich sind als Vorbilder der
Trauernden die Darstellungen von Klagefrauen auf antiken Sarkophagen
(Klagefrauen-Sarkophag aus der Nekropole von Sidon) und auf
mittelalterlich-französischen Grabtumben anzusehen. Im Formalen
erinnern die Figuren mit gefalteten Händen auf den Grabmalssockeln (oft
vor abgebrochenen Säulen oder Kreuzen) stehenden Trauernden an
Verbildlichung der am Kreuze Christi trauernden Muttergottes. Das zwar
durch seine Innigkeit berührende, doch letztendlich profan wirkende
Bild
der Trauernden erhält so einen sakralen Hintergrund, der die Heiligkeit
der Grabstelle betont. Daß die Trauernden nicht nur an Grabstellen jung
verstorbener Frauen Aufstellung fanden und als Auftraggeber nicht nur
trauernde Witwen auftraten, zeigt auch den Entstehungshintergrund des
Grabmals Malcomess.
Olga Malcomess, in Berlin geboren und Nachfahrin des populären friderizianischen Husarengenerals von Zieten (1699-1786), war die zweite Gemahlin des aus Homberg an der Efze stammenden Kaufmannes und Deutsch-Kaiserlichen Konsuls in Südafrika, Hermann Wilhelm Malcomess (1848-1921). Vermutlich bedingt durch die Einverleibung des Oranje Freistaats und die Republik Transvaal durch das britische Empire in Folge der Burenkriege, verließ die Familie 1902 King William`s Town/ Südafrika und siedelte nach Berlin über. Dort verstarb Olga Malcomess am 04. Februar 1904 im Alter von 51 Jahren in der Villa Koenigsallee 15, in der Kolonie Grunewald. Auftraggeber des Grabmals wurde der Witwer, der möglicherweise mit der Figur der Trauernden die Erinnerung an die Schönheit seiner Frau lebendig halten wollte.
Das Grabmal Malcomess weist auf die stilistische Umbruchstimmung hin, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts mit Kraft bemerkbar machte. Nicht nur der Schöpfer des Grabmals für Emil Frommel, Arthur Trebst, beschäftigte sich nach 1900 intensiv mit der Erneuerung der Grabmalskunst, denn die Sucht nach Repräsentation hatte in den davorliegenden Jahrzehnten dazu geführt, daß anstelle künstlerischer Qualität das kostspielige Material, Granit und Marmor, in den Vordergrund getreten war und sich die rücksichtslose Branche von Grabmalfabrikanten auf die letztendlich gesichtlose Massenfertigung monumentaler Grabarchitekturen und Verbreitung minderwertiger, billig produzierter Grabfiguren spezialisiert hatte. Mausoleen, Wandgräber und protzige Einzelmonumente entstanden nach Entwürfen wenig dazu ausgebildeter, werkseigener Kräfte, während der zumeist etwas kostspieligere Individualentwurf durch einen akademisch geschulten Künstler immer seltener zur Ausführung gelangte. Neben dem finanziellen Aspekt spielte vermutlich auch der Umstand eine Rolle, daß durch den künstlerischen Schaffensprozeß, den der Bildhauer benötigte, oft Jahre zwischen dem Tod des zu Ehrenden und der Ausführung des Grabdenkmals vergingen. Nicht jeder wollte oder konnte auf die Realisierung 'seines' Grabdenkmals so lange warten.
Der Verfallstendenz in der Friedhofskunst versuchten angesehene Institutionen und auch die Künstler selbst entgegenzuwirken. Es entstand eine allumfassende Reformbewegung, deren Ziel die Entwicklung des 'Reformgrabsteins' darstellte. Bereits 1901 konnte der Bildhauer Constantin Starck (1866-1939), Meisterschüler von Reinhold Begas, einen Reformstein vorstellen, der auf dem Grab für den Ethnologen und Forschungsreisenden Andreas Fedor Jagor (1816-1900) auf dem Alten St. Matthäikirchhof errichtet wurde (seit 1939 auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf, Umbettungsblock)...
...Die erhaltenen älteren Grabdenkmale aber weisen den Alten Garnissonfriedhof als ein kunst- und kulturhistorisch bedeutendes Denkmal aus, dessen wünschenswerter Schutz die drohende Gefahr einer gesichtslosen Geschichte abzumildern helfen könnte."
aus: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof, Herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof , erschienen bei Haude & Spener, S. 109, 110, 112, 114 |